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Vom Winde verweht: Antarktisches Meereis treibt Ozeanströme an

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Antarktisches Meereis ist permanent in Bewegung, weil kräftige Winde es von der Küste auf den offenen Ozean wegtreiben. Eine neue Studie aus der Fachzeitschrift Nature Geosciences zeigt, dass diese Eiswanderung für die globalen Meeresströmungen wichtiger ist, als bisher angenommen.

Meereis um Antarktika bildet sich durch gefrorenes Meerwasser und umgibt den Kontinenten wie einen Gürtel. Obwohl in einigen Gebieten das Eis das ganze Jahr bestehen bleibt, bildet sich der grösste Teil jedes Jahr aufs Neue. Bild: Michael Wenger
Meereis um Antarktika bildet sich durch gefrorenes Meerwasser und umgibt den Kontinenten wie einen Gürtel. Obwohl in einigen Gebieten das Eis das ganze Jahr bestehen bleibt, bildet sich der grösste Teil jedes Jahr aufs Neue. Bild: Michael Wenger

Ein Team von Wissenschaftlern der British Antarctic Survey (BAS) und verschiedener US-amerikanischer Institute verarbeiteten mit Hilfe eines Computermodells Millionen von Ozean- und Meereisbeobachtungen, die in den vergangenen sechs Jahren nahe Antarktika gesammelt wurden, und schätzten zum ersten Mal den Einfluss von Meereis, Gletschereis, Niederschlag und Erwärmung für die Ozeandurchmischungszirkulation ab. Diese Zirkulation bringt Tiefenwasser und Nährstoffe an die Oberfläche, trägt Oberflächenwasser hinunter, verteilt die Wärme und hilft, Kohlendioxid (CO2) zu lagern während es durch die Weltmeere driftet. Dadurch wird die Zirkulation zu einem wichtigen Faktor im globalen Klimasystem. Die Forscher fanden heraus, dass das Süsswasser die wichtigste Rolle in der Veränderung der Wasserdichte spielt, die diese Zirkulation antreibt und dass das Abschmelzen des Meereises zehnmal mehr Süsswasser dazu beiträgt als das Abschmelzen der Gletscher.

Eisschelfe sind riesige Ausflüsse von Gletschern in den Küstenbereichen Antarktikas und ähneln eisigen Mauern. Für eine lange Zeit glaubten Wissenschaftler, dass diese Eisschelfe den Hauptanteil des in den antarktischen Ozean fliessenden Süsswassers seien. Bild: Michael Wenger
Eisschelfe sind riesige Ausflüsse von Gletschern in den Küstenbereichen Antarktikas und ähneln eisigen Mauern. Für eine lange Zeit glaubten Wissenschaftler, dass diese Eisschelfe den Hauptanteil des in den antarktischen Ozean fliessenden Süsswassers seien. Bild: Michael Wenger

Ein essentieller Faktor in diesem Prozess ist gemäss den Forschern die Eisdrift, die vor allem durch den Wind zustande kommt. Würde das Eis an derselben Stelle schmelzen, an der es sich bildet, würde kein Effekt entstehen. „Würde man diese Winde ausschalten und diesen Weg, das Eis von Antarktika wegzutreiben, eliminieren, würde man wahrscheinlich die Kraft der Zirkulation signifikant verringern“, erklärt Hauptautor Ryan Abernathey, Ozeanograph am Lamont-Doherty Erdobservatorium der Columbia Universität. Die Studie vereinte eine ausgeklügelte Datenzusammensetzung um das komplexe Problem der Geschehnisse unter dem Eis, wo eine direkte Beobachtung kaum möglich ist, zu untersuchen. Sie liefert neue Einblicke in die physikalischen Grundlagen der Ozeane, die bedeutende Antworten für zukünftige Fragen rund um den Klimawandel liefern können. Beispielsweise, wie der Verlust von Meereis oder Windveränderungen die globalen Ozeanströmungen beeinflussen könnten, meint Abernathey weiter. „Jeder fragt, ob sich das Meereis ausbreitet oder zurückzieht? Wir betrachten es von einer anderen Seite: Was macht das Meereis mit dem darunterliegenden Ozean?“, sagt Abernathey.

Im Winter verdoppelt sich die Fläche Antarktikas durch das Meereis. In den vergangenen Jahren haben Forscher festgestellt, dass die Meereisfläche im Winter zugenommen hat.
Im Winter verdoppelt sich die Fläche Antarktikas durch das Meereis. In den vergangenen Jahren haben Forscher festgestellt, dass die Meereisfläche im Winter zugenommen hat.

Wissenschaftler haben seit einiger Zeit gewusst, dass Veränderungen der Wasserdichte, besonders der kalten, salzigen Wasser, für die Tiefenströmungen der Ozeane, die tiefsten kältesten Äste der globalen Ozeanzirkulation, wichtig ist. Diese transportieren die kalten antarktischen Wassermassen entlang des Meeresbodens nach Norden. Was bisher wenig verstanden wurde, war die Rolle des Salzgehaltes in der oberen Zirkulation, die mitteltiefes Wasser an die Oberfläche des Südpolarmeeres bringt und sie danach in Richtung Tropen transportiert. Mit Hilfe einer thermodynamischen Analysetechnik konnten die Wissenschaftler die Rate, bei der Eisbildung und –schmelze zur oberen Zirkulation beitragen, indem sie das Wasser nahe an der Küste schwerer und das Wasser im offenen Meer leichter machen.

Die Ozeanzirkulation ist essentiell für das Klimasystem, weil sie Wärme verteilt und dabei hilft, CO2 in der Tiefsee zu deponieren. Grosse Klimaveränderungen in der Vergangenheit, auch in den Eiszeiten, hatten wahrscheinlich die Meeresströmungen verändert. Um zu verstehen, wie die Zirkulation sich heutzutage verändert, sind die nächsten Schritte der Blick auf die sich verändernden Salzgehalte und Windgeschwindigkeiten der Vergangenheit, erklärt Abernathey. Und Mitautor Paul Holland von der BAS meint: „Diese Arbeit zeigt sehr klar, dass das antarktische Meereis im Winter eine enorm wichtige Rolle im globalen Strömungskreislauf der Ozeane spielt. Wir wussten schon seit vielen Jahren, dass die Meereisbildung in der Antarktis für die Bildung der Tiefengewässer in den Weltmeeren verantwortlich ist. Aber diese Arbeit zeigt nun, dass das Abschmelzen des Eises im Sommer auch die Bildung von oberen Wasserschichten reguliert. Dieser Fortschritt ist nur durch die Nutzung eines neuesten Computermodells möglich gewesen, welches Millionen von Ozeanbeobachtungen zusammenfassen konnte.“

Meereis ist auch biologisch gesehen für Pinguine und Robben wichtig. Die Schollen bilden Ruheplätze im ansonsten strukturlosen Ozean. Gemäss der neuen Studie treiben sie aber auch die Ozeanströmungen an. Bild: Michael Wenger
Meereis ist auch biologisch gesehen für Pinguine und Robben wichtig. Die Schollen bilden Ruheplätze im ansonsten strukturlosen Ozean. Gemäss der neuen Studie treiben sie aber auch die Ozeanströmungen an. Bild: Michael Wenger

Quelle: British Antarctic Survey